CODA

 

"Das ist hier schon richtig", sagte der Berliner Taxifahrer Ende März 2024, "es gibt nur eine Friedelstraße in Berlin und das hier ist die Hausnummer 47." Nun gut, wir stiegen aus, eigentlich trotz dieser Beteuerung mit dem mulmigen Gefühl, nicht am richtigen Ort zu sein. Dann aber fiel unser Blick auf eine etwas zurückgesetzte dunkle Glastür, auf der dezent CODA stand und die, nachdem wir geklingelt hatten, sofort geöffnet wurde, um uns herzlich willkommen zu heißen.
Das CODA wirbt damit, das einzige besternte Dessertrestaurant Deutschlands zu sein, ich bin mir sicher, dass es das einzige Dessertrestaurant mit zwei Sternen weltweit ist. Aber das alles besagt ja noch nichts. Wir waren zu viert und hoch gespannt, was man uns als Dessert-Menü vorsetzen würde. Zum überwiegenden Teil der Gerichte gab es  Pairing Drinks (2 cl), die sich als wesentlicher Bestandteil der Gerichte verstanden und stimmig mit den Aromen harmonierten - und zwar galt das für jeden der Menügänge. Sicherlich ist das Prinzip, das sich dieses Restaurant auf die Fahne geschrieben hat, in jeder Hinsicht ungewöhnlich aufzutreten, interessant auch im Hinblick auf diese speziellen Minicocktails. Ich hätte mir allerdings doch die Möglichkeit einer klassischen Weinbegleitung gewünscht, denn ein versierter Sommelier bekommt diese geschmackliche Harmonie und Begleitung mit Weinen garantiert ebenso gut hin.
Besonders hervorgehoben wurde, dass man bei der Verarbeitung sämtlicher Speisen Industriezucker nicht verwenden würde, also auf Zucker, hergestellt aus anderen Stoffen zurückgreife. Nach dem Gang Cacao & Crispy (Kirsche, Sojamilch) wurden wir in einen besonderen Bereich der Küche gebeten, damit man uns demonstrieren konnte, wie das eigens importierte Kakaogranulat in der Maschine zu hochwertiger Schokolade verarbeitet wird.
Das Menü bestand aus 14 Servings, wobei das Caviar Popsicle mit 38 Euro als Zusatzgang geordert werden konnte. In Berlin und auch woanders scheint sich  der Trend auszubreiten, Signaturdishes als Zusatz zum Menü anzubieten. So also auch hier.
Aus den jeweiligen Bezeichnungen der einzelnen Menügänge war es nur sehr lückenhaft möglich, die halbwegs vollständige Zusammensetzung zu erfahren. Bei manchen Aufzählungen hatte ich Probleme, diese oder jene Zutat geschmacklich im Gericht wieder zu finden, so z.B. die Salzgurke beim Kopfsalat oder das Kimchi bei der Raclettewaffel, sowie Fingerlime beim Karotte & Grün-Gericht, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Dagegen hätte ich unbedingt erwähnenswert gefunden beim Gang: Buttercreme (Walnuss, Dulse Alge, Miso), dass dort hocharomatische saftige Zwetschge beteiligt gewesen ist. Im Nachfolgenden lasse ich die Teller, besser gesagt die Fotos der Teller für sich sprechen und greife nur hie und da Besonderheiten heraus:

Gummibär (Rote Bete)


Beefcake (Süßkartoffel, Mandel)


Brioche (Gouda, Steckrübe)
Eine sehr gelungene Komposition, weil der geschmolzene Gouda einen guten Gegenspieler zur Süße des Briocheteigs darstellte. Irritierend allerdings war, dass der Service betonte, dass es sich um einen 6 Monate gereiften Gouda handeln würde. Es wirkte auf mich so, als sei man von Seiten des CODA der Ansicht, das sei etwas Besonderes:


Grapefruit (Mascarpone, Wirsing, Thymian)
Ich kann mich nicht erinnern, jemals so eine leichte Mascarpone gegessen zu haben, die sofort im Mund angenehm zerschmolz, ohne einen Fettfilm zu hinterlassen. Perfekter geht es nicht:


Buttercreme (Walnuss, Dulse Alge, Miso)
Wie schon oben erwähnt, war dominierender Bestandteil dieses hochinteressant kombinierten Törtchens Zwetschge, die mit klarer sortentypischer Fruchtigkeit wie frisch aus dem Garten wirkte und diesen Gang bestimmte. Ein optisch wie geschmacklich sehr überzeugender Gang:


Kopfsalat (Salzgurke, Frischkäse)
Diese aus Kopfsalat hergestellte und knusprig gemachte süß schmeckende Schale war nicht nur optisch eine absolute Augenweide, sondern überzeugte auch auf der Zunge in seiner Kombination mit feiner leichter Frischkäsecreme:


Raclettewaffel (Kimchi, Joghurt)
Der in der fluffigen Waffel enthaltene Raclette war angenehmst geschmolzen und machte diese Waffel zu einem der Highlights dieses Menüs:


Caviar Popsicle (Oscietre Kaviar, Topinambur, Pekanuss)
Dagegen enttäuschte das Signaturdish, was daran lag, dass zwar Kaviar mit einer Vanille-Topinambureiscreme sowie einem Pekanusskern durchaus miteinander verbunden werden kann, aber das Eis war in jeder Hinsicht erdrückend süß. Eine an sich interessante Idee, die mit weniger Süßwucht deutlich gewinnen könnte:

 


Karotte & Grün (Fingerlime, Ingwer)
Schade, dass Fingerlime nicht optisch erlebbar war, diese spezielle und leider auch selten zu kaufende Zitrusfrucht hätte ich gerne frisch auf dem Teller gehabt, und leider konnte ich auch nichts herausschmecken, was auf diese Frucht hingewiesen hätte. Spannend war, dass auf die Nocke, die mit einem Klecks Sanddorncreme versehen war, zu Schokolade verarbeitetes Möhrengrün gestreut wurde. Also küchentechnisch eine echte Herausforderung, der sich da die Köche gestellt hatten. Trotz der ungewöhnlichen Zutaten konnte dieser Gang leider geschmacklich kein Gefühl der großen Ungewöhnlichkeit hervorrufen:

 

Deichkäse-Tarte (Feige, Rindermark, Erdnuss)
Die Deichkäsetarte ruhte auf einem herausragend frischen Feigenspiegel, schmeckte jedoch kaum wahrnehmbar nach Käse und erhielt (auf dem Foto nicht enthalten) noch eine Nocke mit Erdnussmousse obenauf, die jedoch dem Gericht seine ursprüngliche Pfiffigkeit komplett nahm. Ich hätte sie nicht gebraucht:


Grissini (Landschwein, Sauerkraut)
Optisch und handwerklich eine beeindruckende Leistung, solch ein Grissinigebilde herzustellen und geschmacklich gelungen und super kross, auch wenn weder Landschwein, noch Sauerkraut herausschmeckbar waren; aber weit entfernt von einem schlichten Grissini aus dem Supermarkt. Eigentlich der ideale Cracker für einen gemütlichen Filmabend:

 

Cacao & Crispy (Kirsche, Sojamilch)
Es ging noch deutlich süßer weiter mit einer mit Schokoladenmousse gefüllten Schokoladenkugel, die in einer beachtlich kunstvoll geschwungene, hochknusprigen Schleife drapiert war. Dieses hauchdünne Band war aus karamellisiertem Soja hergestellt. Ein optisch sehr attraktiver Teller mit feinstem Schokoladengeschmack. Allerdings war die Füllung den Freunden nicht herbschokoladig genug, was durchaus verständlich ist, wenn man sehr dunkle Schokolade bevorzugt. Und genau davon könnte man eigentlich auch ausgehen, wenn ein Dessertrestaurant zum Essen einlädt, dass die Besucher ganz besonders hochprozentige Schokolade preferieren. Insoweit war dies ein Gang, der trotz seiner vollendeten Gestaltung weder die echten Schokoladenfreunde begeistern konnte, noch diejenigen, die deutlich hellere Schokoladen lieben:


Petersilienwurzel (Schwarzer Knoblauch, Pistazie)
Warum auch immer es so war, der Tisch teilte sich in zwei Lager, dem einen, der die Petersilie und die Petersilienwurzel herausschmeckte und dem anderen, wo es nicht so war. Es mag vielleicht am hohen Alter liegen, dass mir, obwohl ich häufiger Petersilienwurzeln selbst verwende und ein Fan hoher Mengen glatter Petersilie bin, nicht mehr über die entsprechenden Geschmacksnerven verfüge. Eigentlich war dieser Gang von seiner Süsse her deutlich verhaltener, die grüne Sauce drumherum war mir sogar zu zitrusllastig und trotzdem blieb bei allen der süßliche Geschmack dominant im Mund übrig. Ich glaube, dies war der Zeitpunkt, teils schon einen Gang früher, in welchem wir nicht mehr so arg viel Lust verspürten, mit Süße weiter beglückt zu werden:


Dragées & Chocolate
Die Dragées brachten natürlich nicht nur unterschiedliche Farbe, sondern auch unterschiedliche Geschmacksrichtungen mit. Die reichten von Haselnuss, Mandel, über Olive, Rote Bete bis hin zum reinen Fett des Wagyu-Rindes, wobei Olive und Rote Bete klar punkteten:

 

 


Kakao 78% (Medjool Dattel, Butter)
Man erwartet bei diesen Stichworten vorwiegend Dattelgeschmack und irgendetwas Buttriges, aber weit gefehlt. Diese Schokoladenstange aus feinster Schokolade hatte eine leicht nach Datteln schmeckende Schokofüllung.
Obwohl kurz vor Ende des Menüs mit Petersilienwurzel (Schwarzer Knoblauch, Sojamilch) ein eher etwas verhalten süßer Gang gereicht wurde, bevor dann Dragées & Chocolate, sowie am Ende Kakao 78% (Medjool Dattel, Butter) folgten, war bei uns allen der Eindruck der, dass es des Süßen zu viel gewesen war.
Es entstand, am Ende des Menüs angelangt, leider so ein Grad an Übersättigung in puncto Süsse, der fast schon unangenehm wurde und auf Herzhaftes Appetit machte. Und wenn wir nicht bereits infolge der 15 Gänge schon sehr satt gewesen wären, wär' der nächste Currywurststand von uns heimgesucht worden.
Beeindruckt hat am Ende die Idee an sich, einfach ausschließlich Desserts anzubieten, noch mehr beeindruckt und erfreut hat mich die optische Darbietung so manchen Tellers und der dahinter steckende immense werkliche Aufwand, das war schon sehr hohes Niveau.

Genussanwältin



 

CODA
Friedelstraße 47
12047 Berlin
 

 
 
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