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Restaurantkritiken für Hamburg und die
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El Bulli (2006)
Ein Abend im Restaurant El Bulli hat nur dem ersten Eindruck nach etwas mit normalem Essengehen zu tun, ich nenne es 'experimentelles Speisen'. Allein das Ergattern eines Tisches glich einem Hauptgewinn, so groß war der weltweite Ansturm auf die 15 Tische. Die Wahrscheinlichkeit, eine Reservierung zu bekommen, lag bei weit unter 5% (nur 6.000 Plätze/Saison). Im Juli 2006 hatte Herr Ferran Adria offenbar seine sphärische Phase, vorweg wurden vom sehr aufmerksamen Service 'sphärische Oliven' gereicht: Die sahen aus wie Oliven, schmeckten sehr intensiv nach Oliven, waren aber ganz sicher keine Oliven. Vergleichbar vielleicht mit überdimensionierten Froscheiern, mit aromatischer Flüssigkeit gefüllt und nach leichtem Druck mit der Zunge sofort platzend und Geschmack freigebend. Ein wenig später gab es eine geöffnete Kaviardose, offenbar gefüllt mit Forellenkaviar - tatsächlich handelte es sich um sphärischen Melonenkaviar, kleine 'Froscheier' mit deutlichem Melonengeschmack:
Höchst originell fand ich auch 'Geeiste Luft aus Parmesan und Müsli', serviert in einer Styropor-Gefrierpackung. Es handelte sich um eine Art gefrorenen Käseschaum mit einfach umwerfendem Parmesangeschmack:
Ich werde nun nicht alle 29 Gänge hier beschreiben, erwähnenswert erscheint mir aber noch das 'ländliche Won-Ton', eine Art Riesenravioli, die ich mit einem Riesenlöffel im Basilikumschaum tunken sollte und dann mit einem einzigen Haps verspeisen. Da war der Mund voll. Ich kann mich nicht erinnern, jemals vorher derartig angenehm-langandauerndes Basilikumaroma auf der Zunge gehabt zu haben:
Zu jedem Gang gaben die Kellner genaue Hinweise auf die Art des Gerichts und vor allem darauf, in welcher Reihenfolge die einzelnen Komponenten gegessen werden sollten. Nicht geschmeckt haben mir die sphärischen Herzmuscheln, ebenfalls große Froscheier, gefüllt mit dem intensiven Geschmack schleimgewordener Nordsee, bäh! Aber wer Austern mag, wird auch so was mögen:
Die gelben Kugeln sind übrigens 'sphärischer Mais', sehen auch aus und schmecken wie Mais. Der Gang hieß 'Sphärische Trüffelcreme mit Mais, Herzmuscheln und Passionsfrucht'. Sehr gelungen dagegen das 'Bauchfleisch von der Makrele in Hühnermarinade mit Zwiebel und Essigkaviar', hier hat jemand etwas sehr Feines und Edles gezaubert:
Nicht zu verachten waren auch die vielen Nachtische, besonders beeindruckt hat mich ein Törtchen aus Pimiento del Piquillo (nordspanische Paprika) und Banane sowie das Himbeersorbet - kann es so viel Himbeeraroma auf einem einzigen Löffel geben?
Die Getränkeauswahl ist üppig, der 2003er Augustus Chardonnay aus dem Penedés zeichnete sich durch erlesene Qualität aus und war mit 35,- Euro auch nicht zu teuer. Lob gebührt auch dem Oloroso. Richtig billig war das Mineralwasser con gas mit 3,- Euro für eine Literflasche, zumal wir dafür mehr als zwei Liter bekamen. Sherry wurde ebenso großzügig und kostenlos nachgeschenkt. Nach gut drei sehr kurzweiligen Stunden klang der Abend auf der zum Strand hin gelegenen, in Holz gehaltenen Terrasse aus, begleitet von kräftigem Milchkaffee und kleinen Süßigkeiten (im Preis enthalten). ![]() Rosinen aus Pedro Ximénez (Dessertsherry) und Moscatel mit Anchovis und Kardamom-Brioche ![]() Mandarinenessenz ![]() Streifen aus rosa Grapefruit ![]() 'Das Meer', bestehend aus verschiedenen Algen. Los geht es rechts unten, bis am Ende das Stückchen Wassermelone im Schaum erreicht ist. Die Menüs sind personalisiert, d.h. nicht jeder Gast bekommt das Gleiche auf den Tisch. Man kann allerdings ankündigen, was man überhaupt nicht möchte, ich habe auf Kutteln und Bries verzichtet. Es gibt auch nur ein Menü, wählen ist nicht! Hier das übersetzte Menü (Herzlichen Dank an den Genusspapst!) vom Juli 2006, allerdings wegen einiger Zwischengänge nicht vollständig: - Erdbeeren/Mandarine/Campari
"Tiere" und Waffeln aus Meersalat und weißem Sesam Ich suche öfter mal Sterneköche heim und muss sagen, dass ich schon viele, auch hervorragend gemachte und sehr leckere Gerichte schon vergessen habe. Im Gegensatz dazu wird es mir kaum gelingen, die teils gewagten Kreationen des Ferran Adria aus dem Gedächtnis zu vertreiben. Ich werde es aber auch nicht darauf anlegen. :-) Wer wirklich wissen möchte, was der Spaß für drei Personen gekostet hat, darf gern einen Blick auf die Rechnung werfen. Viel Geld. Der Betrag relativierte sich für mich jedoch, nachdem der Oberkellner kundgetan hatte, dass für die 15 Tische insgesamt 45 Köche (meist unentgeltlich) sowie 15 Kellner arbeiten. Gesprochen wurde französisch, englisch und, natürlich, spanisch. Ich fühlte mich wie ein gern gesehener Gast und bin der Meinung, dass mir mein Besuch dort allemal zur Ehre gereicht.
Das Restaurant schließt Mitte 2011, Reservierungen sind nicht mehr möglich!
elBullirestaurant
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