Der erdbeerfressende Drache

An manchen Restaurants kommt man schlecht vorbei, wenn
man gerne Neues entdecken möchte und obendrein noch laufend über
besondere Auszeichnungen stolpert. Herr Rindchen, den ich mir an dieser
Stelle erlaube, zu zitieren, schreibt: "Mit dem Konzept des
„Erdbeerfressenden Drachen“ hat er sein Meisterstück kreiert, das nun
völlig zu Recht beim wichtigsten Gastropreis der Stadt, dem
Szene-Genussmichel, zum „Restaurant des Jahres“ gekürt wurde. Gemeint
ist der Koch Thorsten Gillert.

An einem Samstagabend im August war es daher reichlich voll in dem
wirklich perfekt mit Alsterblick gelegenen Restaurant, das durch seine
hohe Decke und die komplett verglaste Front angenehm luftig, weitläufig
wirkt. Es gibt auch eine erkleckliche Anzahl an Outdoorplätzen, leider
hielt aber mal wieder das hanseatische Wetter dagegen.
Unser Vierertisch wählte einstimmig das 5gängige Omakase (69 €), eine,
wie ich selbst erst einmal nachlesen musste, alte, japanische
Essenstradition und salopp übersetzt heißt: "Der Koch entscheidet."
Etwas irritierend fand ich, dass in dem Menü nicht der Preis für Brot,
Butter und Olivenöl enthalten war, sondern pro Person mit 3 € extra auf
die Rechnung gelangte, wir obendrein dies ungefragt auf den Tisch
gestellt bekamen, so dass eher der Eindruck entstand, dies sei ein
rustikales Amuse-Gueule.

Wie die Aperitifs der anderen drei Teilnehmer ausfielen, vermag ich
nicht mitzuteilen, mein naturtrüber Lambrusco Radice Rosé (7 € 0,1 l)
schmeckte fruchtig und süffig.
Angenehm überrascht waren wir, als die Bedienung uns bezüglich unserer
ersten Weinauswahl mit der Bemerkung, dies sei ein naturtrüber Weißwein,
vorwarnte und einen Probeschluck hinstellte. Der Wein fiel tatsächlich
durch. Nach einer etwas ungewöhnlichen Beratung durch den Sommelier, der
uns fragte, was wir denn so für Rebsorten bevorzugten, dann aber
irgendwie darauf nicht einging, orderten wir als Flasche eins einen
Grenache Blanc & Roussane "Etamin" Mas Seren 2022 Cevennen Frankreich
(42 €) und Flasche zwei Chenin Blanc & Chardonnay "L'Orée du Sabia"
Vigneron Océanique 2021 (47 €).
Der "Etamin", ein Weißwein mit wenig Säure, der einen Hauch Vanille in
die Nase ziehen ließ, aber trotz seiner Frische etwas in der
Geschmackstiefe enttäuschte, war trotz allem der eindeutig spannendere
Wein. Teils harmonierte er gut mit den Gerichten, teils ging er unter.
Der "L'Orée du Sabia" war dagegen schlicht unauffällig wegtrinkbar,
schade, denn wir wären gern auf weitere ungewöhnliche Entdeckungsreise
gegangen.
Ein Amuse Gueule gab es, wie schon weiter oben erwähnt, nicht, die
Bestecke wurden nicht gewechselt und die jeweiligen Gänge brachte man
uns kurzzeitgetaktet. Den um 19 Uhr reservierten Tisch hätten wir
theoretisch bereits gegen 21 Uhr wieder verlassen können.

1. Gang: Kohlrabischlangen, Krabben, Kamille, Saiblingskaviar sah zwar
ansprechend angerichtet aus, ihm fehlte jedoch bedauerlicherweise das
gewisse Etwas, um diesen Gang geschmacklich interessant zu machen.
Dennoch muss man fairer weise sagen, dass die Kombination durchaus
innovativ war:

2. Gang: Optisch nicht so perfekt wie der 1., jedoch schon deutlich
delikater. Marinierte und gegrillte Charentais-Melone auf einem Gulasch
aus Zwiebeln und tadellosen Pfifferlingen, mit Paprika und gerösteten
Kürbiskernen abgerundet. Schön chillilastig und eine ideale Verbindung
zwischen dem Gemüse und der süßlichen Melone. Ein gelungener Gang:

3. Gang: Lackierte und gebratene Rotbarbe auf süßsauer pochierter Gurke
und Birne mit Safran und Ingwer gewürzt. Dieser eher infolge der Gurke
und Birne sanft schmeckende Gang punktete durch seine ungewöhnliche
Mischung:

4. Gang: Sousvide gebratenes "Butcher's Secret", ein saftiges fast
zartes Stück Rind, dazu chillilastige vom Koch als Adobe-Chili
bezeichnete Sauce, sowie in dem Zusatzschälchen sanft gegarter Mais mit
gekochten Fregola Sarda (eine feine Zusammenstellung) mit einer Scheibe
Mimolette darüber. Vom Mimolette hätte ich mir noch mehr gewünscht, denn
er passte ideal zum Mais-Fregola Gericht. Insgesamt ein vollmundiger
Gang, der mutig das Zarte des Mais-Nudelgerichts mit dem chilikräftigen
Touch, den die Sauce über dem Fleisch hatte, verbindet:

Etwas gestört hat mich, dass in zwei Gängen chililastige tomatige Saucen
zum Einsatz kamen, wenn sie auch jedes Mal tadellos schmeckten. Aber um
der Ausgewogenheit des Menüs Willen hätte ich mir doch mehr Abwechslung
gewünscht.
Der 5. Gang war ein vorzüglicher Abgang des Menüs. Eine leicht an Kaffee
erinnernde Sahnecreme mit gerösteten Kakaobohnen umlegt, Baiserstücken
garniert, die in der Mitte eine Nocke zartschmelzendes
Johannisbeersorbet versteckten. Perfekt:


Genussanwältin
Der erdbeerfressende Drache
Alsterufer 3
20354 Hamburg
Telefon: 040 6965 7299