Gasthof Möhrchen (geschlossen seit 4/2017)

 

 

Im tiefsten Altona ist man mit einer derartig hohen Restaurantdichte gesegnet, dass man gar nicht weiß, wohin zuerst.
Der Gasthof Möhrchen warb als Teilnehmer des sog. Schlemmersommers 2015 um Kunden und bot für 32 Euro pro Person ein dreigängiges Menü an. Ein Blick in die Speisekarte offenbarte, dass man scheinbar sowieso jedem Kunden die Freude bereitete, für den Preis von 31,50 Euro sich selbst ein dreigängiges Menü zusammen stellen zu können. Nur die (teuren) Ribeye-Gerichte waren davon ausgenommen. Wir ließen uns den wuchtigen Preisunterschied von 50 Cent nicht anmerken und blieben beim Schlemmersommermenü, was eine sehr gute Wahl war, wenn auch die anderen Gerichte, die an die umliegenden Tische gebracht wurden, allesamt köstlich dufteten, gut aussahen und den zufriedenen Gesichtern nach zu urteilen, perfekt schmeckten.

 

Da das Wetter es zuließ, nahmen wir anstelle des reservierten Tisches im Innern, draußen Platz, obwohl die dortige Gartenbestuhlung längst nicht so bequem war. Aber gutes Wetter muss man in Hamburg mitnehmen, man weiß ja nie, wann es sich jemals wieder gnädig hingibt.
Die Bedienung, wir hatten es mit einem höchst lockeren Kellner und einer aufgeräumt netten Kellnerin zu tun, war dem Stadtteil angepasst. Es wurde freundschaftlich geduzt, aus der Schule geplaudert, als sei man schon Stammgast und alles machte einen angenehm unaufgeregten Eindruck.
Am Nachbartisch war man sich wegen des Rotweines nicht sicher und sofort wurden zwei Probegläschen gereicht, um zu testen, welche Sorte besser mundete. Später entspann sich mit dem Nachbarn noch ein herzlicher stundenlanger Plausch über Gott und die Welt. Etwas, was man in vielen anderen Stadtteilen Hamburgs so nicht erleben dürfte. Aber Ottensen ist halt (noch) trotz der dort gewachsenen "Szene" und damit steigender Mieten noch angenehm unverkrampft.
Bevor das Menü startete, erhielt ich einen geschmacklich perfekten Hugo (6,50 Euro), der Lieblingsehemann soff lieber gleich zum Aperitif sein Weizenbier (0,5 l 3.70 Euro). Später orderte ich ein Glas Muskateller der Familie Nett aus der Pfalz für 4,50 Euro, ein etwas verhaltener, jedoch durchaus trinkbarer Wein.

 

Der erste Gang war eine Offenbarung in puncto Pulpo. Wir bekamen ein Holzbrett mit Mandelcrème und darauf liegendem gegrillten der Länge nach in Scheiben geschnittenen Fangarm und seitlich je ein Häufchen Quinoa.
Ich kann mich nicht erinnern, jemals so köstlichen Pulpo gegessen zu haben. Die Konsistenz war fleischig und hatte nicht mal ansatzweise dieses typische Gummiartige. Eine herrlich sommerliche Vorspeise.
Der Hauptgang: "Geschmorte Ochsenbacke mit buntem Sommergemüse Johannisbeerjus und Kartoffelpüree" war ebenfalls tadellos.
Die geschmorte Ochsenbacke war auf den Punkt gegart und saftig, thronte neben einem hübschem Strang Kartoffelmus, auf dem eine Möhre dekoriert und in den frisch gekochte Rote Betespalten hineingesteckt waren. Umgossen mit köstlicher dunkler Soße. Eine bodenständige Zusammenstellung, bei der jeder Part schmeckte.
Kann man von Key Lime Pie abhängig werden? Ich fürchte, im Möhrchen würden sie es schaffen. Denn das auf Keksmasse ruhende wunderbar zitronige Cremetörtchen brachte alle Eigenschaften mit, die es braucht, um nach noch so einem Stück zu verlangen. Etwas zu aufdringlich fand ich den Nocken Johannisbeersorbet dazu, (laut Sommermenü-Ankündigung hätte es ja auch Tonkobohneneis sein sollen), aber mit diesem Eindruck war ich allein, während die sanfte Vanillesoße sich wiederum gut einfügte.
Wir waren glücklich. Alles in allem hatten wir den Eindruck, dass man den Koch nur von der Leine lassen muss und er stürmt hoch in die Charts.
Das werden wir beim nächsten Mal nochmals genauer testen.

                                                                                                  genussanwältin

 


Gasthof Möhrchen
Spritzenplatz 4
22765 Hamburg
- geschlossen! -

 

 
 
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