Oberhafenkantine

 

Zufällig kommt an dieser letzten Kaffeeklappe niemand vorbei, wenn er nicht gerade als Hafenarbeiter schafft. Von einer riesigen Baustelle (Hafencity) umgeben und auch sonst nicht leicht erreichbar, finden sich hier in erster Linie Touristen ein oder Zeitgenossen, die Lust auf etwas Originelles verspüren. Beim Betreten des in sich völlig schiefen Gebäudes kommt sofort Seekrankheit auf, es scheint keinen einzigen rechten Winkel zu geben. Aber bei schönem Wetter kann man auch draußen sitzen, allerdings müssen Gespräche wegen der alle paar Minuten vorbeipolternden Züge und Laster oft unterbrochen werden.

Die Bedienung zeigte sich bestens gelaunt und beantwortete die Frage, ob die Grützwurst denn auch gut sei, mit den Worten 'Nein, aber sie muss weg!'. Wir lachten herzlich, stockten jedoch, als der Kellner sofort nach der Bestellung das Angebot auf der Tafel durchstrich ... aber die Wurst war dann doch recht schmackhaft. Kräftig angebraten, mit einer weichen und etwas nichtssagenden Grütz-Fleischfüllung, leider ohne Rosinen. Und ja, Rosinen gehören unbedingt in eine Grützwurst! Es gibt nur einen guten Geschmack, und den habe ich!
Am Kartoffelmus gab es nichts zu meckern, am Apfelmus ebenfalls nicht:

 

Bratwurst machen will gekonnt sein, diese hier gehörte mit ihrem hohen Fleischgehalt und der beherzten Würzung mit Pfeffer und Majoran zu den gelungeneren Exemplaren. Allerdings harmonierte der süßliche Senf des Hauses nicht so recht damit. Der Kartoffelsalat mit seiner schweren Sauce hätte gut sein können, wenn die Kartoffeln durchgegart statt hart gewesen wären.

 

Labskaus wird niemals die Chance haben, ein Topmodel unter den Tellergerichten werden, das gilt auch für die Variante in der Oberhafenkantine. Es kommt dunkelrot daher, nicht zu suppig, sondern noch ein wenig stückig. Fisch ist bereits enthalten und verleiht dem Brei eine etwas zu dominierende Säure. Dazu gibt es ein Spiegelei, einen Rollmops, etwas Gurke und Rote Bete. Gute Qualität, mit 13,- Euro allerdings kein Schnäppchen.

 

Die rote Grütze zum Nachtisch erwies sich als fein abgewogene Mischung aus Fruchtigkeit und zurückhaltender Säure, mit 4,50 Euro auch nicht zu teuer. Das Mehrschicht-Dessert namens 'verschleiertes Bauernmädel' im Weckglas sah weit ansprechender aus, als es dann schmeckte. Sahne'schleier', Apfelmus und rote Grütze waren deutlich erkennbar, die Schokosauce hingegen nicht und der Boden aus harten Schwarzbrotstücken erwies sich als geschmacksfreier Knusper.

  

 

Insgesamt lohnt sich ein Besuch hier wegen des originellen Gebäudes mit seiner eigenartigen Lage, nicht unbedingt wegen bemerkenswerter Speisen.

 

 

Der Genusspapst ist mit dem obigen Bericht nicht ganz glücklich und schreibt dazu:

'Deine Oberhafenkantinen-Kritik scheint mir doch ein wenig harsch. Angesichts der Preise dort hatte ich ohnehin keine Spitzenküche erwartet, ist halt schon vom Standort und Konzept her ein eher einfacher Laden. Allerdings war das Labskaus deutlich über 08/15-Maßstab. Auch die Rote Grütze war hervorragend, also ich kann absolut nicht mäkeln. Meine Erwartungen wurden eher übertroffen.'

 


Oberhafenkantine Hamburg
Stockmeyerstraße 39
20457 Hamburg

 

 
 
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