Das weisse Haus
Obgleich Tim Mälzer hier nicht mehr kocht, sollte
man sich dem Restaurant, auch mittags, niemals ohne Reservierung nähern.
Und angesichts der Parkplatzsituation auch nicht ohne öffentliche
Nahverkehrsmittel. Das kleine Haus ist sehr hübsch, auch hübsch gelegen,
man kann die Schiffe auf der Elbe bewundern. Vom Erdgeschoss aus die Elbe selbst allerdings
nicht, denn dafür ist die Flutmauer zu hoch.
Ich habe den Mittagstisch versucht:
Man sitzt nett, in zurückhaltend hellem Ambiente,
der Service ist freundlich, wenn auch durch die zu knappe Besetzung
etwas hektisch. Wenn der Laden, wie meistens, voll besetzt ist, fällt
die schlechte Akustik auf - man muss sich wirklich anbrüllen. Die Karte
bot einen 2004er Grauburgunder, leider waren die Flaschen schon 'aus'
und es konnte nur glasweise bestellt werden. Ich hätte mir zudem
gewünscht, dass das auf der Rechnung als 'San Pellegrino' bezeichnete
Mineralwasser auch tatsächlich in meinem Glas befunden hätte - darin
sprudelte aber nur billige 'Frische Brise' aus der Billletalquelle,
Reinbek.
Die Vorspeise Schweizer Wurstsalat erwies
sich als frisch, knackig und lecker, allerdings mit 6,90 Euro doch recht
selbstbewusst kalkuliert. Auf den Punkt gebraten kam die üppige Portion
Lachsforelle mit Zucchini, Kirschtomaten und Curry-Risotto -
Bravo! Und für 8,90 Euro nahezu geschenkt. Sehr schmackhaft und saftig
auch die gebratene Maispoularde mit Süßkartoffeln und Trevisiano
(8,50), wenngleich die Hühnchenhaut etwas Knusprizität mehr durchaus
hätte vertragen können. Insgesamt aber ein dickes Lob an die Küche.
Schön wäre etwas mehr Sorgfalt beim Besteck - an
meiner Gabel befand sich eine nicht unerhebliche Menge roten Paprikas
vom Voresser. Angesichts der wirklich ambitionierten Küche sollten
solche Patzer nicht vorkommen.
Herr Mälzer hat dem weißen
Haus schon lange den Rücken gekehrt und so ist es Zeit, die
Kochkunstentwicklung an der Elbe zu überprüfen. Wir wählten ein Menü,
das mit dem Weinhändler
Rindchen
zusammengestellt wurde:
Man sitzt auf nicht über
die Maßen bequemen Holzstühlen, man sollte bei vollem Haus keine
Liebesschwüre flüstern wollen, denn niemand könnte sie hören oder auch
nur ahnen. Davon abgesehen tun das helle Ambiente, die freundliche
Servicemannschaft und die ambitionierte Küche alles, damit sich der Gast
wohlfühlt. Los ging es allerdings mit rotem Bonbonwasser namens Kir
Classique mit 2008er Riesling Kabinett trocken, nicht zumutbar für
erwachsene Zungen und mit knallharten Brötchen, nur zumutbar mit
exzellentem Kauwerkzeug. Dafür überzeugte der extrem zart geräucherte Saibling
mit seinem Kaviar, frischem Meerrettich und kandierter Zitrone:
Der Fisch war nicht
zu weich, die Beilagen bestens abgestimmt. Leider setzte der trockene
2009er Riesling Kabinett vom Weingut Ress aus dem Rheingau keinen
bacchantischen Kontrapunkt, sondern entpuppte sich als weitgehend
unbesonnter Langweiler.
Viel Freude bereitete dann die springend heiße Velouté vom Blumenkohl
mit Jakobsmuschel, Chorizo und Nussbutter, wenngleich die Bindung der
Suppe etwas ins Puddingartige spielte und den leichten Samt vermissen
ließ. Der 2009er Rotgipfler war eine schöne Ergänzung.
Es folgte ein typischer Chardonnay von der Nahe, gute Standardqualität.
Dazu servierten die Kellner eine köstliche Probe konfiertem Bauch vom
Landschwein mit Honig, Pommerysenf-Jus und Karottenpürée. Leider
wirklich nur eine winzige Probe, dabei war dieser Gang das Highlight des
ganzen Menüs: Deftig im Geschmack und doch filigran in der Struktur,
eine Spitzenleistung! Genial dazu die unglaublich fein pürierten
Karotten, wie bekommt man die denn so fein hin?
Auch beim Rotwein gab es ein echtes Glanzlicht, den 2005er Sablet,
Bertrand Stehelin, Rhône. Allerdings war der Schluck dermaßen kraftvoll
und wuchtig, dass er den zugehörigen Gang geschmacklich erschlug. Nicht
unbedingt ein Verlust, denn die zu trockene Roulade vom Perlhuhn bezog
ihr schwächliches Aroma hauptsächlich aus der dünnen Speckumwicklung.
Soße oder Jus wäre sehr angenehm gewesen, leider wurde daran gespart.
Wie auch an den Risolee-Kartoffeln, es fand sich nur eine kümmerliche
halbe auf dem Teller. Loriot hätte gesagt: Übersichtlich.
Der Nachtisch erwies sich als wohlschmeckend, besonders die duftende,
halbwarme Moelleux au Chocolat; richtig überzeugen konnte die
eigenwillige Mischung mit Birne und Kaffeeeis jedoch nicht. Eine 2008er
Muskat Ottonel Auslese fügte sich auf den ersten Schluck gut, ließ
allerdings Tiefe vermissen.
Insgesamt eine runde Leistung, man bekommt einen schönen Abend fürs
Geld. Die Teller sind hübsch angerichtet, die Küche arbeitet
hochklassig, agiert allerdings unter Sterneniveau und sollte die
Portionsgrößen (mehr Landschweinbauch!) vielleicht überdenken.
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Obwohl seit dem letzten
Besuch viele Jahre vergangen sind, scheint sich doch bis
November 2018 kaum etwas geändert zu haben.
Gekocht wird noch immer auf hohem Niveau, umsorgt wird man von einer
jungen, engagierten Mannschaft. Und auch Menüs in Zusammenarbeit mit
Hamburgs umtriebigstem Weinhändler Rindchen gibt es weiterhin - wir
versuchten dieses:
2017 Grauburgunder "Lime Rock", Schwedhelm, Pfalz,
Deutschland
Picandou Ziegenkäse mit Feigensenf gratiniert auf Balsamico-Berglinsen
und mit roter Zwiebelmarmelade und mariniertem Frisée
2017 Riesling feinherb "Vom Muschelkalk", Weingut Fogt, Rheinhessen,
Deutschland
Dreierlei vom Kürbis:
Schaumsüppchen vom "Muskat-Kürbis"
Chutney vom "Hokkaido-Kürbis" mit Black Tiger Prawn
Sorbet vom "Butternut-Kürbis" mit gerösteten Erdnüssen
2017 "Flickwerk" Rosé trocken, Weingut Alexander Flick, Rheinhessen,
Deutschland
Kalbs-Ravioli in eigener Sauce mit Majoran und gebratenen Pfifferlingen
2016 Blaufränkisch, Strehn, Burgenland, Österreich
Tafelspitz vom Holsteiner Weiderind auf Wirsing-Bouillongemüse und
Apfelkren
2017 Riesling Auslese "Monzinger Frühlingsplätzchen", Weingut Weber,
Nahe, Deutschland
Crumble vom eigenen Apfelbaum "white house style" mit Mascarponecreme,
Pistazien-Eis,
gebrannten Mandeln und Engelshaar
64,00 € pro Person inkl. begleitender Weine, Mineralwasser und
abschließender Kaffeespezialität
Die Weine passten gut zum Menü, am Überzeugendsten liefen der
mineralische Grauburgunder und Blaufränkisch über die Zunge, gefolgt vom
Riesling. Der Rosé kam belanglos daher, auch die deutlich zu jugendliche
Auslese zum Nachtisch war kein Kracher, aber doch trinkbar.
Man kann inzwischen auch im ersten Stock des Hauses sitzen und einen
schönen Blick zum Övelgönner Museumshafen genießen.
Der Küche liegen offenbar eher kleine Zaubereien rund um die Vorspeisen
, da gelang mit warmem Ziegenkäse samt süßer Zwiebelmarmelade ein feiner
Gaumenschmeichler, mit dem Kürbis-Sorbet gar eine furiose
Geschmacksüberraschung, sehr gelungen!
Auch die frische, hausgemachte Pesto zum Brot schmeckte ausgesprochen
lecker und würzig.
Die Hauptgänge Kalbsravioli und Tafelspitz kamen zwar technisch
einwandfrei und zart auf die Teller, boten aber geschmacklich
bestenfalls müden Durchschnitt, der die Zunge nur mittels
frisch-scharfen Meerrettichs für einen Augenblick zu wecken vermochte.
Immerhin wurden wohlige Erinnerungen an Mutters und Großmutters Küche
wach, die solche Aromen einst auf den Tisch brachten:
Der Nachtisch trumpfte zunächst mit schönem Apfelaroma auf, das leider
sofort von süßer Mascarponecreme erschlagen wurde. Trost spendete das
weiche und vollmundige Pistazieneis mit Engelshaar, was in diesem Falle
nicht das spanische Cabello de ángel (aus Kürbis) meinte, sondern
schlicht Karamell:
Insgesamt ein rundes, empfehlenswertes Menü mit klassischem
Geschmackserlebnis und ein paar gewagten Aromen.
Restaurant 'Das
weisse Haus'
Neumühlen 50, Telefon 040 / 390 90
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