Ich weiss, was Hunger ist / Raue, Tim

 

Eine munter geschriebene Biografie, ein Leben vom Ghettokind bis zum Sternekoch, meistens sehr authentisch. Gerade im ersten Teil, in dem es um den Lebensabschnitt als Straßenschläger geht, gibt es jedoch viele hinterher geschobene Erklärungen, Begründungen, Entschuldigungen: "Die Gruppe gab mir den Halt, den ich zuhause immer vermisst hatte." So etwas würde einem Sozialtherapeuten oder linksliberalen Jugendrichter sicher die Tränen der Rührung in die Augen treiben, den Text selbst aber macht so ein Einschub nur schwächer, verwischt den starken Eindruck.

Interessanter ist Raues Beschreibung seiner Kochkunstentwicklung vom schlichten Schnitzelbrater hin zum Aromabombenliebhaber. Hinsichtlich des extrem rauen Umgangstons in den Küchen erzählt er aber zumindest denen, die schon Anthony Bourdain gelesen haben, nichts Neues.


Es wird auch eine Erklärung dafür geliefert, weshalb es nur so wenige Frauen zur Sterneköchin schaffen: "Frauen sind viel zu intelligent, um sich diesen Mist zu geben." Immerhin brauchen wir also wenigstens in Spitzenrestaurants keine Frauenquote mit entsprechenden Qualitätseinbußen zu fürchten. Insgesamt lesenswert, trotz einiger Wiederholungen, und besonders für Gourmets voller interessanter Einblicke.

Das netteste Zitat: "Wir haben in unserem Leben mehrere Eigentumswohnungen verfressen."
 

  

 

 
 
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