THE LISBETH

Ein Sternekoch ohne Stern in Hamburg? Das
machte uns neugierig. André Stolle, zuletzt ausführender Küchenchef im
La Vie Osnabrück hat sich 2021 in der Deichstraße ein eigenes Lokal
zugelegt. "The Lisbeth", welches in der Mittagszeit Hausmannskost
darbietet und abends mit Fine-Dining aufwartet, liegt mitten in der
touristisch überlaufenen Deichstraße gegenüber dem Deichgraf.
Wir orderten das Viergangmenü (96,- Euro), bei welchem man beim
Hauptgang die Wahl zwischen Finkenwerder Schollenfilet oder geröstetem
Stubenküken hatte. Eine Weinbegleitung wurde für 39,- Euro angeboten,
wir entschieden uns aber lieber für einen Chenin Blanc Kloof Street
Südafrika Swartland, der zwar schnell ausgetrunken war, aber danach
einem deutlich spannender schmeckendem österreichischem Querschnitt Weiß
aus Chardonnay, Grüner Veltliner, Welschriesling und Muskat von Kolfolk
Platz machen musste. Einen Teil der Weine bezieht Herr Stolle von Master
Sommelier Hendrik Thoma. Beide Weine kosteten 49,- Euro.

Vor dem 1. Gang wurde uns etwas zu salzlastige Nussbutter mit
aufliegendem Algenkaviar, der überraschend angenehm schmeckte und gerne
des Öfteren zum Einsatz kommen darf, sowie hauchdünnes superknuspriges
"Knäckebrot" gereicht.

Ein gelungener Auftakt, der auf das
Kommende einstimmte. Danach folgte ein wunderbar schmeckendes Häppchen
in Form eines in Teig gehüllten Heilbutts.

Der 1. Gang "Brathering von der Makrele mit Gemüse aus dem Gewürzsud"
war nicht nur eine Augenweide, sondern eine gelungene Neuinterpretation
einer Makrelenzubereitung.

All das Schwerlastige, oftmals schon Tranige, das der Makrele anhaftet,
war einer sanften Leichtigkeit gewichen.
Es folgte ein gleichfalls sehr gelungener Gang, das "Fischbrötchen
Deluxe" mit in Teriyaki glasiertem Rauchaal, Mixed Pickles und
fritiertem Briochebrötchen. Die Präsentation mit rauchgefüllter Cloche,
das feinsüssliche, an den Rändern knusprige und perfekt passende
Briochebrötchen, der saftigwürzige Aal und die Mixed Pickles, das alles
ergab eine harmonische Komposition und brachte erneut Stolles Signatur:
"Fisch mal ganz anders präsentiert" hervor.

Der Hauptgang, ich möchte nicht vergessen, zu erwähnen, dass er den
Freunden gut schmeckte, war mir zu wenig klar im Gefüge. Das
"Finkenwerder Schollenfilet" mit Zitronencremetupfen, geräuchertem
Schweinefleischspeckstückchen, Kaisergranatstücken war von einer
kräftigen, wie ich fand, zu kräftigen Sauce umrandet. Kaisergranat und
Scholle wurden nicht damit unterstrichen, sondern geschmacklich erdrückt
und auch die Zitronencremetupfen brachten zusätzliche Störung.
Allerdings war die Handschrift des Kochs, Ungewöhnliches zu erschaffen,
in diesem Gang zu erkennen:

Das Dessert versöhnte mich. "Sorbet von der Roten Grütze und
Joghurtcreme mit Tonkabohnenaroma". Hübsche Präsentation, schmelziges
beerenintensives Sorbet, ohne zu viel Süße, intensiv fruchtige Aromen
von Beeren und Sud drumherum und das Highlight war die Joghurtcreme,
deren Konsistenz raffiniert schaumig luftig war und seidig im Mund
zerging. Großes Lob dafür.


Die zum Abschluss-Espresso gereichte Praline schmeckte leicht
salzkaramellig.

Sympathisch fanden wir, dass Herr Stolle sich am Ende zu uns an den
Tisch stellte und sich die Zeit nahm, etwas ausführlicher über seine
Kreationen zu sprechen.
Genussanwältin
THE LISBETH
Deichstraße 32
20459 Hamburg
Tel. 040 36096767